Haftung des Arbeitnehmers
Wie weit reicht die Haftung des Arbeitnehmers?
Auch der Arbeitnehmer haftet grundsätzlich unter den gleichen Voraussetzungen wie der Arbeitgeber, also nach den allgemeinen Regeln der Schadensersatzpflicht:
- Pflichtverstoß
- kausale Schadensverursachung
- Verschulden (Vorsatz oder Fahrlässigkeit bezüglich Pflichtverstoß und Schadenseintritt)
Welche Besonderheiten ergeben sich dabei für den Arbeitnehmer?
Im Gegensatz zum allgemeinen Schadensrecht muss sich das Verschulden des Arbeitnehmers nicht nur auf den Pflichtverstoß, sondern auch auf den Schadenseintritt beziehen. Diese besondere Voraussetzung wirkt sich vorteilhaft für den Arbeitnehmer aus.
Auch bezüglich der Beweislast wird der Arbeitnehmer gegenüber dem normalen Schädiger besser gestellt, indem der Arbeitgeber im Arbeitsrecht das Verschulden des Arbeitnehmers selbst darlegen muss. Es findet somit gem. § 619a BGB eine Beweislastumkehr des normalerweise geltenden § 280 Abs. 1 BGB statt.
Wie kann der Arbeitnehmer vor einer zu hohen Schadenshaftung geschützt werden?
Nach § 254 BGB kann der Umfang der Schadensersatzpflicht gemindert werden, wenn der Arbeitgeber als Geschädigter den Schaden mitverschuldet hat. Der Arbeitgeber kann bei Schadensentstehung (Abs. 1), als auch durch das Unterlassen der Schadensminderung (Abs. 2) ein Mitverschulden treffen. Ein Mitverschulden kann beispielsweise vorliegen, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer eine Weisung erteilt hat, die unmittelbar oder auch mittelbar zum Schadenseintritt geführt hat.
Der Arbeitnehmer ist besonders schützenswert, da dieser häufig an Weisungen gebunden ist und keinen wirklichen Einfluss auf den Betriebsablauf hat. Zudem trifft diesen die Schadensersatzpflicht gesondert, da es zu erheblichen Kosten bei betrieblichen Ausfällen kommen kann, die die Höhe des Arbeitsverdienstes des Arbeitnehmers um ein Vielfaches übersteigen.
Deshalb beschränkt die Rechtsprechung die Haftung des Arbeitnehmers in Fällen der betrieblich veranlassten Tätigkeit gegenüber dem allgemeinen Schadensrecht gesondert.
Es gelten folgende besondere Haftungsregeln je nach Verschulden des Pflichtverstoßes:
- Vorsatz: Haftung des Arbeitnehmers (Ersatz des gesamten Schadens)
- grobe Fahrlässigkeit: grundsätzlich gesamter Schaden (allerdings mit Ausnahmefällen)
- mittlere Fahrlässigkeit: Aufteilung des Schadens auf Arbeitgeber und Arbeitnehmer
- leichteste Fahrlässigkeit: keine Haftung des Arbeitnehmers
Wie wird das Verschulden des Pflichtverstoßes ermittelt?
Der Arbeitnehmer haftet voll, wenn dieser mit Wissen und Wollen nicht nur den Pflichtverstoß, sondern zusätzlich dazu auch den Schadenseintritt vorsätzlich herbeigeführt hat.
Dagegen liegt grobe Fahrlässigkeit vor, wenn der Arbeitnehmer die „im Verkehr erforderliche Sorgfalt“ im besonderen Maße außer Acht lässt. In Ausnahmefällen kann von einer vollen Haftung des Arbeitnehmers abgesehen werden, wenn beispielsweise der Arbeitgeber selbst Verschulden trägt oder die Schadenshöhe für den Arbeitnehmer unverhältnismäßig hoch zum Arbeitsverdienst ausfallen würde.
Lässt der Arbeitnehmer dagegen die im Verkehr erforderliche Sorgfalt nur im normalen Umfang außer Acht, so liegt mittlere Fahrlässigkeit vor. Hierbei sind alle Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, um den Schaden gerecht zwischen dem Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer aufteilen zu können. Beispielsweise sind die Schadenshöhe, die Länge des bestehenden Arbeitsverhältnisses, sowie die Möglichkeit des Arbeitgebers zur Versicherung des Arbeitnehmers, mögliche Abwägungskriterien. Häufig kommt es dabei zu einer erheblichen Entlastung des Arbeitnehmers.
In Fällen leichtester Fahrlässigkeit liegt dagegen nur ein geringes Verschulden des Arbeitnehmers vor. Hierbei haftet der Arbeitgeber im vollen Umfang für den entstandenen Schaden.
Wie weit reicht die Haftung des Arbeitnehmers gegenüber anderen Arbeitnehmern?
Auch bei Schäden gegenüber einem Kollegen haftet der Arbeitnehmer nach § 105 Abs. 1 Satz 1 SGB VII nicht, wenn es sich dabei um einen nicht vorsätzlich begangenen Personenschaden in Form eines „Versicherungsfalles“ handelt. In solchen Fällen tritt der Unfallversicherungsfall des geschädigten Arbeitnehmers ein, auch wenn es sich dabei um Schmerzensgeld handelt. Dagegen muss der Arbeitnehmer bei Sachschäden selbst für den Schaden aufkommen.
Dieser kann bei Sachschäden allerdings eine Freistellung der Schadenshaftung von seinem Arbeitgeber fordern.
Was genau versteht man unter einem „Freistellungsanspruch“?
Der Arbeitnehmer kann vom Arbeitgeber Freistellung verlangen, wenn dieser den Unfall durch eine betrieblich veranlasste Tätigkeit herbeigeführt hat und ihm weder Vorsatz noch grobe Fahrlässigkeit, sondern nur leichteste Fahrlässigkeit, vorgeworfen werden kann.
Der Arbeitgeber muss in diesen Fällen für die Schadenshaftung des Arbeitnehmers gegenüber seinen Kollegen in dem Umfang aufkommen, in dem der Arbeitnehmer selbst auch gegenüber dem Arbeitgeber als Geschädigten haften würde.
Bei leichtester Fahrlässigkeit muss der Arbeitgeber den Arbeitnehmer vollständig freistellen. In Fällen von Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit besteht dagegen kein Freistellungsanspruch des Arbeitnehmers und auch nur ein anteiliger Freistellungsanspruch bei mittlerer Fahrlässigkeit.
Falls der Arbeitgeber die Schadenshöhe wirtschaftlich nicht tragen kann, bleibt der Anspruch des geschädigten Kollegen gegenüber dem Arbeitnehmer im vollen Umfang bestehen.