Tarifeinheit – Grundsatz der Tarifeinheit
- Was genau versteht man unter „Tarifeinheit“?
- Gilt der Grundsatz der Tarifeinheit heute noch?
- Kann die Streikfreiheit kleinerer Gewerkschaften eingeschränkt werden?
Was genau versteht man unter „Tarifeinheit“?
Gem. § 4 Abs. 1 TVG sind die Arbeitsvertragsparteien an Tarifverträge gebunden, soweit diese unmittelbar und zwingend für diese gelten. Tarifgebunden sind Arbeitgeber, die im Rahmen des Haustarifvertrages an den Haustarifvertrag gebunden oder auch über die Mitgliedschaft in einem Arbeitgeberverband oder Verbandstarifvertrag gebunden sind. Daneben muss der Arbeitgeber auch die Tarifgebundenheit des Arbeitnehmers beachten, der seinerseits Mitglied einer Gewerkschaft ist und demnach an die Tarife der Gewerkschaft gebunden ist.
Somit können innerhalb eines Betriebes gegenüber den jeweiligen Arbeitnehmern mehrere Tarifverträge gelten. Um die Beachtung der vielen Tarifverträge für den Arbeitgeber zu vereinfachen, wurde lange das „Prinzip der Tarifeinheit“ angewandt, wonach nur ein Tarifvertrag für alle Arbeitnehmergruppen eines Betriebes gelten sollte. Hierzu wurde der spezifisch am besten geeignete Tarifvertrag ausgesucht, der dem Betrieb am ehesten gerecht wurde. Dies stellte meistens ein großer Tarifvertrag des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) dar, weshalb Tarifverträge kleinere Gewerkschaften trotz § 4 Abs. 1 TVG nicht angewendet wurden und demnach nicht unmittelbar und zwingend für die Vertragsparteien galten.
Gilt der Grundsatz der Tarifeinheit heute noch?
Das Bundesarbeitsgericht hat den Grundsatz der Tarifeinheit seit dem Jahr 2010 aufgegeben. Dieser Grundsatz war weder mit dem § 4 Abs. 1 TVG vereinbar, noch mit dem im Grundgesetz fest geschriebenen Koalitionsrecht der Gewerkschaften nach Art. 9 Abs. 3 Satz 1 GG.
Nach diesem Grundrecht besteht für jedermann ein Recht Vereinigungen zu bilden, um die Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen zu wahren und zu fördern. Insbesondere sind damit Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände gemeint. Auch die Freiheit Tarifverträge auszuhandeln steht damit unter verfassungsrechtlichem Schutz. Durch den Grundsatz der Tarifeinheit finden Tarifverträge kleinerer Gewerkschaften häufig keine Anwendung, weshalb diese im Vergleich zu großen Gewerkschaften mittelbar ungleich behandelt werden. Diese Ungleichbehandlung wäre auch nicht aus überwiegenden Gründen des Allgemeinwohls gerechtfertigt, weshalb eine Verletzung der Koalitionsfreiheit der kleineren Gewerkschaften gegeben sein könnte.
Davon unabhängig ist das Streikrecht der Gewerkschaften, das auch unter den Art. 9 Abs. 3 GG fällt. Streiks dienen dazu, Verhandlungen über einen Tarifvertrag überhaupt herbeizuführen und möglich zu machen. Das Streikrecht haben kleinere Gewerkschaften also unabhängig vom Grundsatz der Tarifeinheit. Der Streik muss allerdings rechtmäßig sein, das heißt als Mittel zum Zweck der tarifvertraglichen Einigung geschehen. Für eine Rechtmäßigkeit müssen die Streiks von der Gewerkschaft selbst organisiert sein, den Tarifvertragsabschluss zum Ziel haben und zudem die Friedenspflicht beachten. Die Friedenspflicht besagt, dass Streiks verboten sind, wenn geschlossene Tarifverträge noch laufen.
Seit Mitte 2015 ist das „Tarifeinheitsgesetz“ in Kraft, wonach in Betrieben nur noch ein einziger Tarifvertrag gelten darf und zwar derjenige, der mit der Gewerkschaft mit den meisten Mitgliedern ausgehandelt wurde. Das Ziel des Gesetzes ist demnach die Auflösung der Tarifpluralität, weshalb die Tarifverträge nicht nebeneinander zur Anwendung kommen.
Das BVerfG prüft derzeit die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes, insbesondere die Koalitionsfreiheit nach Art. 9 Abs. 3 Satz 1 GG. Unter den Schutzbereich des Art. 9 Abs. 3 Satz 1 GG fällt nicht nur die Freiheit der Gewerkschaft, einen Tarifvertrag zu schließen, sondern auch die Freiheit, dass der verhandelte Tarifvertrag der Gewerkschaft auch zur Anwendung gelangt. Das Tarifeinheitsgesetz könnte demnach in die Koalitionsfreiheit der kleineren Gewerkschaften eingreifen.
Ein Urteil des BVerfG wird erst im Herbst 2017 erwartet.
Kann die Streikfreiheit kleinerer Gewerkschaften eingeschränkt werden?
Auch kleinere Gewerkschaften haben ein Streikrecht nach Art. 9 Abs. 3 Satz 1 GG, in das der Staat nicht ungerechtfertigt eingreifen darf. Der Staat darf hierbei allenfalls den Streik gesetzlich regeln, beispielsweise inwiefern Gewerkschaften Schlichtungsphasen einhalten müssen. Das Streikrecht müsste dann allerdings einheitlich durch Gesetz geregelt werden und nicht nur für kleinere Gewerkschaften gelten, um eine Ungleichbehandlung gegenüber größerer Gewerkschaften zu vermeiden.
Bei Fragen zur Tarifeinheit sollten Sie sich an einen auf das Arbeitsrecht spezialisierten Rechtsanwalt wenden. Wir sind in Berlin in den Bezirken Neukölln und Köpenick mit einem Büro vertreten.